Komplexkrankheiten

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Eichenschäden / Eichensterben

Ideale Wuchsbedingungen für Stiel- und Traubeneichen bieten warm-trocken getönte Lagen mit der passenden geologischen Bodenausstattung. Leider sind diese gleichzeitig klassische Massenvermehrungsgebiete von Eichenschadorganismen wie z. B.

  • Eichelwickler: Es kommt zu Zuwachsverlusten durch Raupenfraß sowie Vitalitätseinbußen durch mehrmaligen Kahlfraß. [1]
  • Eichenprozessionsspinner: Sie sorgen für Vitalitätsverluste durch mehrmaligen, starken Fraß. [1]
  • Schwammspinnerraupen: Die Raupen schlüpfen mit dem Laubaustrieb und fressen in mehreren Stadien bis in den (Früh-)Sommer hinein, so dass sie bei passender Witterung zusätzlich die Johannistriebe schädigen und bereits der einmalige Kahlfraß letale Folgen bedeuten kann. [1]
  • Zweipunkt-Eichenprachtkäfer: Sie gelten als Hauptüberträger für die Bakterien Bakterien Gibbsiella quercinecans, Brenneria goodwinii und Rahnella victoriana, die für den Schleimfluss an Traubeneichen verantwortlich zeichnen.

Akutes und chronisches Eichensterben stehen in engem, ursächlichen Zusammenhang. Treten mehrere Schadfaktoren in Kombination auf, lässt sich das akute Eichensterben als Sonderfall des chronischen Eichensterbens verstehen, da dieser kombinierte Schadkomplex den Krankheitsverlauf beschleunigt. [1]

Vom vorgenannten Eichensterben mit seinen beiden Ausprägungen sind Erkrankungen durch Phytophthora-Arten zu unterscheiden.[1]

Es empfiehlt sich stets, eine gesicherte Diagnose einzuholen, bevor man Maßnahmen ergreift. Denn nicht jeder Baum mit Schleimfluss oder Prachtkäferbefall ist zwingend von den o. g. Bakterien befallen.[2]

Behandlungsempfehlungen für die Forstpraxis

Seit Mitte der achtziger Jahre hat sich der Gesundheitszustand der Eichen in ganz Europa dramatisch verschlechtert. In mehr als der Hälfte der Eichenwälder, die über das Raster der europäischen Waldzustandserhebung (LEVEL I) erfasst werden, hat sich der Belaubungs­grad zwischen den Erhebungen der Jahre 1992 und 1998 signifikant verschlechtert.

In Deutschland war die Eiche noch in der ersten Hälfte der achtziger Jahre die Baumart, die in den meisten Bundesländern am wenigsten von den „Neuartigen Waldschäden“ betroffen war. Der Anteil der mittel bis stark geschädigten Bäume lag unter 20 %. Heute hat sich der Sachverhalt umgekehrt. In nahezu allen Bundesländern ist die Eiche die am stärksten geschädigte Baumart. Der Anteil mittel bis stark geschädigter Eichen lag 1999 in weiten Teilen des Landes über 50 %.

Entwicklung der Eichenschäden

Abb. 1: Anteil deutlich bis stark geschädigter Eichen (Schadstufen 2 - 4) in den

deutschen Bundesländern in den Jahren 1984, 1991, 1999 und 2000. (Kronauer 2000)

Sichtbare Symptome der neuartigen Eichenerkrankungen sind:

eine Veränderung der Belaubung durch geringere Blattgröße, Blattvergilbung und Blattverlust sowie die Konzentration verbleibender Blätter auf die Astenden (Besen)

eine Veränderung des Kronenzustands durch Zweigabsprünge oder fortschreitendes Absterben ganzer Kronenbereiche sowie

Rindennekrosen, Bohrlöcher und Schleimfluss im Bereich der Stämme.

Schadfaktoren

Die Schwerpunkte des Umweltforschungsprojektes „Differenzial­diagnostische Untersuchungen zum Eichensterben“ an der FVA Freiburg wurden auf die potenziellen Schadfaktoren Bestandesbehandlung, Bestandesgeschichte und Genetik, Insektenkalamitäten sowie Bodenfaktoren fokussiert.

Das Zusammenwirken dieser Schadfaktoren bei der Entstehung von Eichenschäden wurde nach prädisponierenden, schadensauslösenden und schadensverstärkenden Faktoren getrennt untersucht.

In den untersuchten Eichenbeständen waren Kronenschäden i.d.R. an eine verringerte Feinwurzelerschließung des Bodens gekoppelt. Auf vielen Standorten konnte die verringerte Feinwurzelerschließung auf Belüftungsstörungen im Oberboden zurückgeführt werden.

Das heißt, dass die Standorte für Eichenschäden prädisponiert sind, in denen eine ausreichende Belüftung im Wurzelraum durch verringerte Gasdurchlässigkeit des Oberbodens (z.B. durch Befahrung) und/oder Staunässe verhindert wird.

Dieser und andere prädisponierende Faktoren wie z.B. nicht angepasste Genotypen und/oder mangelnde Bestandespflege verursachen eine chronische Labilisierung der Eichenbestände, welche durch Auslöser wie Witterungsextreme (z.B. Trockenjahre) und Insektenkalamitäten zu akuten Schäden führen.

Als Quintessenz der Untersuchungen über das Eichensterben kann festgehalten werden, dass kein einzelner dominanter Faktor für die Vitalitätsverluste der Eichen verantwortlich gemacht werden konnte. Vielmehr wird i.d.R. eine Komplexkrankheit angenommen, bei der je nach Örtlichkeit der eine oder andere Faktor stärker am Krankheitsverlauf beteiligt ist (Abb. 2).

Das Zusammenwirken der beteiligten Faktoren kann wie folgt ineinandergreifen:

Prädisponierende Faktoren (Standort, Waldbau, Herkunft, Alter) erhöhen langfristig die Empfindlichkeit von Eichenbeständen.

Schadensauslösende Faktoren (Insektenfraß, Witterungsextreme, kurzfristige Immissionen) führen zu sichtbaren, i.d.R. reversiblen Schäden.

In labilen Phasen können schadensverstärkende Faktoren (Eichenprachtkäfer oder pathogene Pilze) den Erkrankungsprozess unumkehrbar machen und zum Tod führen.

Zusammenwirkung der einzelnen Schadfaktoren

Abb. 2: Schadfaktoren und Zusammenhänge.

Einflussmöglichkeiten der Forstpraxis

Konsequente Kronenpflege zur Erzielung vitaler herrschender und vorherrschender Eichen (Z-Baum-Auswahl und -förderung).

Pflege eines vitalen Unter- und Zwischenstandes.

Zulassung einer ausreichenden Zahl regional bewährter Saatguterntebestände. Durchführung gezielter Nachkommenschaftsprüfungen, insbesondere im Hinblick auf Eignung für staunässebeinflusste Standorte. Erarbeitung/laufende Aktualisierung entsprechender Herkunftsempfehlungen. Ausschließliche Verwendung von herkunftsgesichertem Saat- und Pflanzgut bei gleichzeitiger Dokumentation in den Betriebsunterlagen.

Konsequente Vermeidung flächiger Befahrung.

Die Dosierung von Waldkalkungen soll in Eichenbeständen so gewählt werden, dass eine Anhebung des Oberbodens pH > 5 ausgeschlossen ist, um eine chemische Labilisierung der Bodenstruktur zu vermeiden.

Periodische Kontrolle des Kronenzustandes an repräsentativen Weiserflächen in Forstämtern mit hohem Eichenanteil.

Konsequente Überwachung der Forstschutzsituation, um beginnende Gradationen phyllophager Insekten und Mehltau in Fällen chronisch hoher Kronenschädigung rechtzeitig bekämpfen zu können.

„Saubere Wirtschaft“, konsequente und frühzeitige Entfernung von Bäumen mit Prachtkäferbefall.

Vermeidung von zu hohen Eichenanteilen auf stärker staunässebeinflussten Böden, Wahl standörtlich geeigneter waldbaulicher Alternativen

Links[2]

Bearbeiten

[1] Eichenschäden, Online auf waldwissen.net, Zugriff am 25.09.2020

[2] Eichensterben - Behandlungsempfehlungen für die Forstpraxis, Online auf waldwissen.net, Zugriff am 25.09.2020