Naturgemäße Waldwirtschaft hat als Ziel den Dauerwald. Dauerwald ist ein gemischter, strukturreicher, ungleichaltriger Wald, der einzelbaumweise ohne Kahlschlag bewirtschaftet wird. Er regeneriert sich idealerweiser aus sich selbst. Wesentliche Kennzeichen sind zum einen die große Stetigkeit von Vorrat, Zuwachs, Nutzung, Artenzusammensetzung und zum anderen das Bemühen, natürliche Prozesse soweit möglich in die Bewirtschaftung zu integrieren. Im zentralen Focus steht die Stabilität des gesamten Ökosystems Wald mit Boden, Flora und Fauna. Je näher sich das System an den natürlichen Gegebenheiten orientiert, desto stabiler ist es – und Stabilität rückt gerade jetzt im Klimawandel in die oberste Priorität verantwortlicher Waldbewirtschaftung. Diese naturgemäße Art der Waldbewirtschaftung stand zu Beginn des 20igen-Jahrhunderts im krassen Gegensatz zu den Vorstellungen der Bodenreinertragslehre und den eher aus der Landwirtschaft abgeleiteten Waldbaukonzepten des Altersklassenwaldes.
Aus dieser am Anfang kleinen Gruppe von Andersdenkenden entwickelt sich im Laufe der Jahre die nun bundesweit tätige „Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft“, die mit ca. 3.000 Mitgliedern (Stand 01.01.2021) als Verein in allen Bundesländern durch Landesgruppen vertreten ist und kontinuierlich Exkursions- und Weiterbildungsveranstaltungen zu unterschiedlichsten Waldthemen anbietet. Die ANW formulierte Waldbaugrundsätze als Orientierungsrahmen für die von ihr propagierte naturgemäße Waldwirtschaft. 2013 wurden sie ergänzt um ökologische Grundsätze, die den Blick noch einmal in besonderem Maße auf unsere Verantwortung für das gesamte Waldökosystem lenkten. Mit der naturgemäßen schonenden Waldbewirtschaftung war die ANW dem Mainstream der 2000er-Jahre nicht nur voraus, sondern hatte anders als die sich zur naturnahen Behandlung hin entwickelten allgemeine Forstwirtschaft bereits ein fertiges und vor allem erprobtes Konzept. Heute wird unser Dauerwaldmodell als Muster für die klimaresilienten Wälder von Morgen verwendet. Stabilität durch Strukturreichtum und Naturnähe, sowie Stetigkeit in den zentralen Elementen der Waldbewirtschaftung sind die wesentlichen Kriterien, die zukünftig vermehrt angestrebt werden.
Heute erlebt die ANW einen regen Zulauf besonders auch von jungen Forstleuten und Waldinteressierten, die sich der forstpraktischen Umsetzung der Ideen widmen möchten. Ein ganz wichtiges „Wesensmerkmal“ der ANW ist es, dass wir die Waldentwicklung sehr genau beobachten, hieraus Handlungskonzepte ableiten und diese einfühlsam in das System integrieren – wir lernen und leben Waldbaupraxis. Natürlich arbeiten wir bei diversen Themen mit der Wissenschaft sehr gern zusammen um unseren „forstlichen Götterblick“ kritisch zu hinterfragen. Mit mehreren Projekten zum Beispiel zum Wald-Wild-Thema, der Weißtanne und der weiteren Untersuchungen der Zusammenhänge im Dauerwald sowie der Inwertsetzung von Ökosystemdienstleitungen trägt der Verein in Zusammenarbeit mit diversen Forschungsinstituten und Hochschulen dazu bei, dass sich das Wissen um die Vorgänge im Wald und damit das für den Einklang von Mensch und Natur notwendige Gleichgewicht verbessert.