Eine Neuausrichtung der Forstpolitik
Die orientierungslose Forstpolitik - Es fehlt ein Diskurs über ihre Neuausrichtung
Im deutschen Wald herrscht noch immer der Staat. Aus der forsthistorisch erklärbaren Omnipotenz staatlicher Strukturen entwickelte sich die falsche Legitimation staatlicher Daseinsvorsorge. Das aber konterkariert die grundgesetzliche Eigenverantwortung der vielen Waldeigentümer. Daher bedarf es einer Neuorientierung: Es geht um die Verbesserung geeigneter Rahmenbedingungen, damit die Waldeigentümer ihre großen Aufgaben bewältigen und ihre großen Chancen selbstbewusst wahrnehmen können.
Wie ein roter Faden durchzieht die Forstwirtschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts in deutschen Landen ausgeprägter Korporatismus, dem die schreckliche ideologische Überhöhung im gleichgeschalteten totalen NS-Staat folgte. In den Nachkriegsjahrzehnten setzten sich persönliche und institutionelle Kontinuitätslinien der braunen Vergangenheit fort. Auch nach der deutschen Wiedervereinigung ist die Forstpolitik nicht aus dem langen Schatten staatlich-orientierter Forstpolitik herausgetreten. Die neuen Bundesländer übernahmen mehr oder weniger kritiklos das Modell des staatlichen Einheitsforstamtes der alten Bundesländer, auch wenn sich später länderspezifische Modifikationen durchgesetzt haben.
Unter Würdigung forsthistorischer Prüfung bedarf es einer grundlegenden forstpolitischen Neuausrichtung, damit die insgesamt zwei Millionen Waldeigentümer, die vielen mittelständischen Forstbetriebe und Dienstleister im wiedervereinigten Deutschland zusammen mit der ihnen nachgelagerten ebenfalls weitgefächerten holzbe- und -verarbeitenden Wirtschaft ihre gewaltigen Aufgaben bewältigen und die ihnen zweifellos gegebenen großen Chancen in der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik auch tatsächlich ergreifen und nutzen können.
Hierzu 15 konkrete Vorschläge:
- Die Direktiven des Bundeskartellamtes zur Entflechtung wettbewerbswidrig vereinheitlichender Landesforstverwaltungen sind zu respektieren. Der hinhaltende Widerstand einiger Bundesländer zur überfälligen Reform ist aufzugeben. Die verfassungswidrige Verknüpfung hoheitlicher mit staatsforstlichen Aufgaben ist durchgängig zu beenden. Das verfassungsrechtliche Gebot kommunaler Selbstverwaltung verbietet staatliche Landesforstpolitik „mit dem goldenen Zügel“.
- Der § 41 Abs. 2 Bundeswaldgesetz ist seitens des Bundes und der Länder zu befolgen. Nach diesem geltenden Paragrafen hat die Ausgestaltung geeigneter forstwirtschaftlicher Rahmenbedingungen Priorität jeglicher Förderpolitik.
- Hierzu gehört nicht zuletzt, das längst wissenschaftlich kritisierte Steuerprivileg des „öffentlichen Waldes“ abzuschaffen, damit Wettbewerbsgleichheit der Waldbesitzarten hergestellt wird. Die Forstwirtschaft ist wegen ihrer vielfältigen außerwirtschaftlichen Wirkungen von kontraproduktiven und konfiskatorischen Steuern und gesetzlichen Abgaben zu entlasten.
- Die unausgegorene forstinterne Debatte um sogenannte Honorierung der Klimaschutzwirkung des Waldes ist zu beenden. Mit ihr würde eine unübersehbare und endlose Diskussion um weitere behördliche Waldbaurestriktionen und holzwirtschaftliche Einengung losgetreten, die weder dem Klima noch der Forst- und Holzwirtschaft helfen, sondern schaden. Stattdessen sollten die strukturverbessernden Förderinstrumente der Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern im Hinblick auf die Kalamitätsereignisse sachlich ausgerichtet und ihre Vergabe entbürokratisiert werden.
- Die forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse sind in ihrer Eigenständigkeit und Professionalität auszubauen. Ihre Förderung sollte auf diese Zielrichtung ausgerichtet werden.
- Die überbetriebliche Zusammenarbeit privater Forstbetriebe – auch unter und mit kommunalen Forstbetrieben – ist zu ermöglichen, zu unterstützen.
- Die Beanspruchungen der Wälder für die in § 1 Bundeswaldgesetz im Einzelnen aufgeführten Schutz- und Erholungsfunktionen sind lagebedingt und keinesfalls besitzartenspezifisch. Eine unterschiedliche administrative Behandlung der Waldbesitzarten ist daher sachlich nicht gerechtfertigt.
- Die Staatsforstbetriebe – es sind die fiskalischen Betriebe der Bundesländer – sind aus den staatlich-behördlichen Einheitsforstämtern auszugliedern und – solange deren Flächen nicht privatisiert sind – von staatlicher Dauersubventionierung freizuhalten. Die Verbeamtung in staatlichen Forstdienststellen ist auf den hoheitlichen Aufgabenbereich zu beschränken.
- Die Forstbehörden sind also von ihren betrieblichen Aufgaben zu trennen. Die Betriebsorganisation ist unter die gleiche haushaltsrechtliche Bedingung zu stellen wie vergleichbare konkurrierende private Forstbetriebe.
- Durch Flächentausch und geeignete Privatisierung im Rahmen von (vereinfachten) Flurbereinigungsverfahren kann in Gemengelage für Privat- und Kommunalwald liegende Partien betriebswirtschaftliche Effizienz verbessert werden.
- Dominanz staatlich abhängiger Landesforstpolitik setzt die gesamte Forstwirtschaft dem tagespolitischen Wechselspiel aus. In der fortdauernden Auseinandersetzung mit den oft populistisch agierenden Naturschutzorganisationen gerät die Forstwirtschaftspolitik in eine ausweglose Defensivposition. In der Öffentlichkeit kann so nur eingeschränkt die realistische These vertreten werden, wonach der nachhaltig bewirtschaftete Wald in der Hand breitgestreuten Waldeigentums die beste Gewähr für waldbauliche Vielfalt mit ökologischer Diversität bietet.
- Erfolgreiche, zukunftsweisende Forstpolitik ist daher sozialgebundene Eigentumspolitik auf der Grundlage des Grundrechts des Art. 14 Grundgesetz. Die persönliche, generationenübergreifende Bindung der Waldeigentümer erhält und schützt den Wald mit seinen umfassenden Aufgaben. Der freiheitssichernde Verfassungsstaat hat dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu setzen. Seine Kompetenzen enden da, wo die Rechte und Pflichten der Eigentümer unzulässig eingeschränkt werden oder der Staat gar glaubt, der bessere Unternehmer zu sein.
- Die berufsständische Vertretung der privaten und kommunalen Waldeigentümer ist angesichts dieser Entwicklung neu zu formieren. Der unselige Dualismus von den durch Einzelmitgliedschaft legitimierten Waldbesitzerverbänden einerseits und dem von ihnen mitfinanzierten Deutschen Forstwirtschaftsrat andererseits ist nicht mehr zeitgemäß. Für die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände“ könnte ihre Umbenennung zum „Deutschen Waldbesitzerverband“ unter unverändert beizubehaltender Trägerschaft der Landesverbände ein Signal neuen Aufbruchs sein.
- Die europäischen Forstwirtschaften mit kontinuierlicher, dezentraler Produktion und Lieferung des nachwachsenden, nicht erneuerbare Stoffe ersetzenden, klimafreundlichen Holzes mit seiner breiten Verwendungspalette bieten für die modernen Volkswirtschaften unersetzliche Vorteile.
- Die nachhaltig bewirtschafteten Kulturwälder Europas, deren Flächenumfang zu- und nicht abnimmt, unterscheiden sich durch Verantwortung vieler Millionen Eigentümer grundsätzlich von ausgeplünderten, vernichteten, eigentumslosen Wäldern anderer Kontinente.
Fazit:
Staatliches Reglement ist nicht die Lösung, sondern das Problem deutscher Forstpolitik. Rechtsetzung und vollziehende Verwaltung haben die gewaltenteilenden Prinzipien einzuhalten. Die staatlichen Organe haben die ordnungspolitischen Regeln der sozialen Marktwirtschaft nicht nur zu beachten, sondern ihrerseits im Sinne der Freisetzung bürgerlicher Eigenverantwortung zu fördern. Der Staat darf nicht mit bevormundenden Vorgaben im Selbstinteresse in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen. Die freie und unabhängige Forstwissenschaft sollte den Diskurs hierüber vorantreiben. Die Waldbesitzerverbände sollten den Mut aufbringen, ihre berechtigten Interessen offensiv, glaubwürdig und geschlossen zu vertreten.