Stillgelegter Wald vs. Wald der regelmäßig bewirtschaftet wird
In der Öffentlichkeit findet derzeit ein besonders intensiver Austausch darüber statt, wie mit unseren heimischen Wäldern, jetzt und in Zukunft umgegangen werden soll. Dies ist vermutlich auch eine Folge der extremen Witterungsverhältnisse der vergangenen Jahre. Durch die Stürme (Xaver, Herwarth, Friederike), die anhaltende Dürre und die massenhafte Vermehrung der Borkenkäfer als Folge dieser Ereignisse, steht der Wald mehr als gewohnt im Zentrum des medialen Interesses. Der Begriff des Waldsterbens erfährt eine Renaissance (Waldsterben 2.0 etc.).
Die Rettung unserer Wälder bedeutet einen immensen Mehrwert für die Gesellschaft, da die Wälder in vielerlei Hinsicht unverzichtbar sind. Sie reinigen unser Grundwasser, sie verringern Wasser- und Winderosion und tragen so u. a. auch zum Hochwasserschutz bei, sie entnehmen der Atmosphäre Kohlendioxid und produzieren gleichzeitig den zum Leben notwendigen Sauerstoff. Der Wald hat neben diesen essenziellen Leistungen, unzählige weitere positive Auswirkungen auf unsere Umwelt, die an dieser Stelle nicht umfassend aufgezählt werden können.
Bei der Art der Aufrechterhaltung dieser lebensnotwendigen Leistungen, werden in der Öffentlichkeit verschiedene Varianten vertreten. Die einen behaupten, dass eine rasche Wiederaufforstung die einzige sinnvolle Lösung darstellt und ein anderes Lager ist der Ansicht, dass die Wälder sich selbst überlassen werden müssen, damit daraus ein stabiler Wald entsteht und in gleichem oder gar größerem Umfang in der Lage sein wird, die beschriebenen Ökosystemleistungen zu erbringen. Um diese Behauptungen zu prüfen muss die forstwissenschaftliche Fachliteratur bemüht werden.
Demnach ist die Aussage, dass die Stilllegung von Waldflächen, welche einen Nutzungsverzicht inkludieren, überwiegend vorteilhaft seien, schlichtweg nicht korrekt und das Gegenteil trifft zu [1].
Durch einen Nutzungsverzicht, sterben die Bäume nach einer gewissen Zeit im Wald ab, brechen zusammen und werden relativ schnell wieder zersetzt. Beim Zersetzungs- und Mineralisierungsprozess wird sogar CO2 wieder freigesetzt. Der Wald wird somit statt zum Klimaschützer zum CO2-Emittenten. [2] [3]
Die Tatsache wird im öffentlichen Dialog gern vernachlässigt. Der Komplexe Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Ökosystem Wald und den daran geknüpften Klimaschutzleistungen wird zur vereinfachten Darstellung in 4 wesentliche Säulen unterteilt. Das ist 1. Waldspeicher, 2. Holzproduktspeicher, 3. stoffliche Substitution und 4. Energetische Substitution.
Unter Waldspeicher wird u. a. die Menge an Kohlendioxid verstanden, die im Wald gespeichert ist, im Totholz, in der intakten Vegetation, sowie im Mineralboden.
Der Holzproduktspeicher beschreibt den Kohlenstoff, der der Atmosphäre entzogen und durch Weiterverarbeitung langfristig in Holzprodukten gespeichert wurde. Die stoffliche Substitution ist der Anteil an Holz, der bspw. im Häuserbau anstelle von Beton und Stahl eingesetzt wurde und somit höherenergetische Produkte ersetzt. Die energetische Substitution stellt den Anteil an Energieträgern dar, welche u. a. Gas, Öl und Strom ersetzen. Dies ist der Fall beim Hausbrand, bei dem Brennholz zur Gewinnung von wärme genutzt wird. Idealerweise geschieht das in Form einer Kaskadennutzung, bei der das Holz zuvor weitere Verwendungszwecke erfüllte. Aber auch bei der direkten Verfeuerung als Kaminholz stellt sich bereits ein positiver Effekt ein. So wird durch die Holzverbrennung nur die Menge an Kohlenstoff freigesetzt, die zuvor im Holz eingelagert und somit der Atmosphäre entnommen wurde. Es wird somit kein zusätzliches CO2 durch die Verbrennung fossiler Energieträger freigesetzt.
All die genannten Säulen entfalten somit ihre größte Wirkung, wenn Wälder bewirtschaftet werden. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das:
Klimaschutz durch Waldbewirtschaftung | Einsparung an tCO2-eq pro Jahr |
Summe Substitution (stofflich + energetisch) bei 75,7 Mio. m3 (1,5) | 73.126.200 |
Summe Substitution (stofflich + energetisch) bei 75,7 Mio. m3 (2,1) | 85.616.700 |
Vorratsaufbau im Wald (15,3 Mio. m3) | 14.030.100 |
Holzproduktspeicher-Aufbau (Holzhausbauweise geschätzt) | 3.000.000 |
Summe Substitutionseffekte (stofflich + energetisch) | |
Bei Substitutionsfaktor "Stoffliche Substitution" von 1,5 tC/tC | 90.156.300 |
Bei Substitutionsfaktor "Stoffliche Substitution" von 2,1 tC/tC | 102.646.800 |
CO2-Bindung Prozessschutzwald langfristig (bis 2150) | 11 Mio. ha Holzbodenfläche |
1 m3 / Jahr und ha (Holzvorratszunahme abzgl. Zerfall auf Landschaftsebene) | 10.087.000 |
Der Klimawandel wird das Waldwachstum durch Trockenheit und Rückgang der Eutrophierung verlangsamen und den natürlichen Zerfall von Prozessschutzwäldern beschleunigen! | |
Klimavorteil der Waldwirtschaft in Deutschland langfristig pro Jahr | 80 bis 90 Mio. t CO2-eq |
10% Flächenstilllegung | 8 bis 9 Mio. t CO2-eq |
Vergleich: Der innerdeutsche Flugverkehr verursacht jährliche Treibhausgasemissionen von 2,5 Mio. t CO2-eq. |
[3]
Der Generalverdacht, dass sich hinter jeder Initiative zur Waldrettung und Wiederaufforstung, einzig der Wunsch zur Gewinnmaximierung versteckt, kann somit nicht belegt werden. Im Gegenteil wird dadurch die essenzielle Bedeutung unseres Ökosystems Wald und die dringende Notwendigkeit des Erhalts, durch aktive und nachhaltige Bewirtschaftung dargestellt. Der Wald dient der Allgemeinheit und sollte daher auch in einem vertretbaren Maß auch durch die Allgemeinheit aufgefangen werden.
Ergänzende Informationen zu Klimaschutz durch Waldbewirtschaftung finden Sie auf dieser Plattform, u. a. auf der Seite Kampagne 8 - Wald ist Klimaschützer.
Quellen
[1] SABATINI, F.M.; DE ANDRADE, R.B.; PAILLET, Y.; ÓDOR, P.; BOUGET, C.; CAMPAGNARO, T.; GOSSELIN, F.; JANSSEN, P.; MATTIOLI, W.; NASCIMBENE, J.; SITZIA, T.; KUEMMERLE, T.; BURRASCANO, S. (2019) Trade-offs between carbon stocks and biodiversity in European temperate forests. Global Change Biology 25, S. 536-548
[2] IRSLINGER, R. (2011): Die mögliche Rolle des Waldes in der deutschen [2] Klimaschutzpolitik. Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg (Umweltakademie). Schriftenreihe, Heft 24: Klimawandel: wie sieht die Zukunft unserer Wälder aus? Auf dem Weg zu stabilen Waldökosystemen: Proceedings einer Tagung am 18.03.2010 an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg; Hrsg.: Hutter, C.P.; Luick, R.; Schwineköper, K., S. 12-22
[3] IRSLINGER, R. (2019) Greenpeace-“Waldvision“ schadet Wald und Klima: Ein Beitrag zur Debatte um das Bundes-Klimaschutzgesetz. Holz-Zentralblatt 27, S. 594