Forsteinrichtung und Klimawandel

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Kriterien für die Baumartenwahl

Um die wichtige Entscheidung der Baumartenwahl gerade im Hinblick des Klimawandels fachlich fundiert zu treffen, können verschiedene Kriterien helfen. Diese werden folgend anhand der in Abbildung 1 dargestellten Oberkriterien genauer präsentiert. [1]

Kriterien der Baumartenwahl Abbildung 1: Kriterien der Baumartenwahl (© Projekt KoNeKKTiW, FVA-BW)

Zunächst werden verschiedene Kenntnisse vorgestellt, welche bei der Baumartenwahl wichtig sind, um stabile Bestände zu begründen. Mit dem Wissen um diese ist ein Verständnis der Kriterien einfacher.

Wuchsbedingungen

  • Kenntnisse des Großklimas
  • Kenntnisse des geologischen Ausgangsgesteins und der Böden
  • Kenntnisse des Wasserhaushalts
  • Kenntnisse der Vegetation als Weiser für bestimmte standörtliche Gegebenheiten (Weiserpflanzen)
  • Kenntnisse zur Konkurrenzstärke der Baumart

Standortansprüche

  • Kenntnisse über die natürliche Verbreitung
  • Kenntnisse ihrer Nährstoffansprüche (Toleranz gegenüber Bodenversauerung)
  • Kenntnisse über die Reaktion auf Stresssituationen wie Trockenheit und Kälte
  • Kenntnisse zu Schadfaktoren (abiotisch und biotisch)

Kriterium: Angepasstheit an abiotischen Faktoren

Der Standort entscheidet mit den abiotischen Faktoren maßgeblich über den Erfolg von Baumarten. Die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Baumarten ist hier hervorzuheben. Aber auch die Wuchsleistung auf den Standorten entscheidet über Vitalität und Stabilität. Folgend werden die Unterkategrien aus Abbildung 2 genauer vorgestellt.

Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Angepasstheit an abiotischen Faktoren Abbildung 2: Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Angepasstheit an abiotischen Faktoren (© Projekt KoNeKKTiW, FVA-BW)

Die Klimahüllen nach Kölling geben Informationen zu heutigen und zukünftigen Standortsansprüchen pro Baumart. Dabei werden Jahresdurchschnittstemperaturen und der durchschnittliche Niederschlag in Bezug gesetzt (siehe Abbildung 3). Über LWF Bayern lassen sie sich aufrufen.

Klimahüllen für Buche und Fichte Abbildung 3: Klimahüllen für Buche und Fichte (Quelle: Kölling, C. (2007): Klimahüllen für 27 Waldbaumarten. AFZ-DerWald (23), 1242-1245)

Die Ökogramme nach Ellenberg zeigen bei einem unbeeinflussten Konkurrenzdruck die Wuchsstandorte nach Bodenfeuchtigkeit und pH-Wert (Säuregrad). Die Ökogramme gelten hierbei für die meisten Teile Mitteleuropas: Submontanen Höhenlagen bei gemäßigt-subozeanischem Klima. Ein Beispiel ist in Abbildung 4 dargestellt.

Für Sachsen wurden speziell Ökogramme erstellt, die einen ersten Einblick ermöglichen. Die ETH Zürich hat ebenfalls welche erstellt. Um ähnliche wie in der Abbildung 4 zu finden, ist der dortigen Quelle zu folgen.

Ökogramm Abbildung 4: Ökogramm (Quelle: Norbert, B. & Röhring, E. (2016) – Waldökologie: Einführung für Mitteleuropa)

Klimafolgenonline (klimafolgenonline.com) bietet verschiedene Möglichkeiten der Darstellung von Klimaauswirkungen in der Zukunft (Änderungen von: Temperatur, Niederschlag, Waldbrandrisiko, Vegetationsperioden und vieles mehr). Dabei besteht eine Auswahl von verschiedener Klima-Szenarien. Ebenfalls lassen sich individuelle Standorte in Deutschland anzeigen. Die Abbildung 5 zeigt beispielhaft die Temperaturveränderungen für einen bestimmten Standort.

Temperaturveränderungen bis 2100Abbildung 5: Temperaturveränderungen bis 2100 (Quelle: PIK, klimafolgenonline.com, verändert durch © Projekt KoNeKKTiW; FVA BW)

Geodaten bieten die Grundlage für vielen Kriterien der Standortswahl. Es lassen sich Bodentypen, Substrate, Humusgehalt des Oberbodens und vieles mehr anzeigen.

Das deutschlandweite Geoportal.de bietet gute Einstiegsmöglichkeiten. Für einzelne Bundesländer können ggf. genauere Portale bestehen, welche mehr Informationen bieten. Als Beispiel der LGRB-Kartenviewer für Baden-Württemberg, siehe Abbildung 6.

Geodaten des LGRB für Baden-Württemberg Abbildung 6: Geodaten des LGRB für Baden-Württemberg (Quelle: http://maps.lgrb-bw.de/?view=lgrb_geotope)

Die Anpassungsfähigkeit der Baumarten entscheidet über deren Erfolg im Klimawandel. Somit werden in der Forstwirtschaft Baumarten gesucht, die mit Stress wie Trockenheit oder Frost gut zurechtkommen. Ein Begriff, der dies präziser beschriebt, ist die Klimaplastizität (ähnlich Resilienz). Diese beschreibt die dauerhafte Anpassung an Änderungen wie den Klimawandel. Folgend werden die Unterkategorien vorgestellt (siehe Abbildung 7).

Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Anpassungsfähigkeit

Abbildung 7: Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Anpassungsfähigkeit (© Projekt KoNeKKTiW, FVA-BW)

Die Baumarteneignungskarten bieten Möglichkeiten, Baumarten und ihre Anpassungsfähigkeiten für bestimmte Standorte zu erfahren.

Für Baden-Württemberg bieten die Baumarteneignungskarten 2.0 (als PDF oder im Web-Viewer der FVA-BW, siehe Abbildung 8) die Möglichkeit der langfristigen Waldentwicklungsplanung (>10 Jahre). Dabei sind sie für die Baumarten Fichte, Weißtanne, Buchte und Traubeneiche konzipiert. Es werden hierbei die Kriterien Konkurrenz, Stabilität, Pfleglichkeit und Leistung berücksichtigt.

Baumarteneignungskarten 2.0Abbildung 8: Baumarteneignungskarten 2.0 (Quelle: Baumarteneignungskarten 2.0 FVA-BW)

Vulnerabilitätskarten zeigen klimawandeltypischen Mortalitätsrisiken der Waldbestände. Dabei werden die heutigen Verhältnisse gezeigt und sie dienen der mittelfristigen Planung (1-10 Jahre). Mit diesen Karten lassen sich besonders akut gefährdete Waldbereiche finden, um sie folgend anzupassen.

Die FVA-BW hat für Baden-Württemberg Vulnerabilitätskarten erstellt (als PDF). Sie zeigen in vier Klassen die Gesamtvulnerabilitäten von sehr gering bis sehr hoch (siehe Abbildung 9).

Gesamte Vulnerabilität Abbildung 9: Gesamtvulnerabilität dür den Raum Freiburg (Quelle: Klimakarten 2.0, Vulnerabilität, FVA-BW)

Verbreitungsgebiete geben Aufschluss über das natürliche Vorkommen einer Baumart. Am Ort ihres Vorkommens herrschen die optimalen klimatischen Bedingungen (klimatische Nische) und sie können sich dort gegen andere Baumarten erfolgreich durchsetzen. Außerhalb dieses Verbreitungsgebietes stehen sie unter Stress. Somit lassen sich hieraus verschiedene Aussagen zur Toleranzgrenzen ziehen (Wärme-, Kälte- oder Trockentoleranz).

Mit EUFORGEN (European Forest Genetic Resources Programme) gibt es einen Web-Viewer der 110 Baumarten zählt und mit dem sich Verbreitungsgebiete europaweit anzeigen lassen (siehe Abbildung 10, links).

Das Thünen-Institut bietet ebenfalls Verbreitungskarten für Deutschland an (siehe Abbildung 10, rechts).

Darstellung von Karten der Verbreitungsgebiete von BucheAbbildung 10: Darstellung von Karten der Verbreitungsgebiete von Buche (Quelle: EUFORGEN und Thünen-Institut)

Provenienzen sind neben Verbreitungsgebieten ebenfalls bei der Bestimmung von richtigen Herkünften entscheidend (Herkunftsgebiete). Es gibt hierbei Unterscheide in Stabilität, Anpassungsfähigkeit, Massen- und Wertleistung bei einzelnen Individuen einer Art. Bei der Nutzung von Provenienzen ist das Forstvermehrungsgutgesezt (FoVG) zu berücksichtigen wie auch Empfehlungen der entsprechenden Forstverwaltungen.

Für Baden-Württemberg sind für viele Baumarten Herkunftsempfehlungen erstellt worden, siehe Abbildung 11.

Provenienzen für die Weißtanne in BWAbbildung 11: Provenienzen für die Weißtanne in BW (Quelle: Auszug aus HERKUNFTSEMPFEHLUNGEN für forstliches Vermehrungsgut in Baden-Württemberg)

Die Baumartenwahl entscheidet ebenfalls maßgeblich über die Wirtschaftlichkeit. So muss eine hohe Stabilität gegeben sein und ein geringer Produktionsaufwand bestehen. Eine hohe Wertschöpfung und Ertragsleistung sind ebenfalls zu empfehlen. Hierfür stehen Höhenwuchsleistungen und Schätzhilfen zu Baumarten zur Verfügung, mit denen so die Wirtschaftlichkeit ermittelt werden kann (siehe Abbildung 12).

Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Wirtschaftlichkeit Abbildung 12: Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Wirtschaftlichkeit (© Projekt KoNeKKTiW, FVA-BW)

Die Höhenwuchsleistung eines Bestandes wird als Indikator der Produktivität – der Ertragsfähigkeit gesehen. Je höher ein Bestand bei einem Zielalter ist, umso wüchsiger ist der Standort. Traditionell wird die Höhenwuchsleistung über dem Alter wie in Abbildung 13 dargestellt. Dabei liegen zwischen den beiden schwarzen Linien 90 % der Datenmesspunkte. Somit geben sie mit entsprechenden Wahrscheinlichkeiten eine Höhenwuchsleistung vor.

Sie sind für 16 Baumarten in der Praxishilfe Klima – Boden – Baumartenwahl zu finden.

Höhenwuchsdiagramme von Fichte und KieferAbbildung 13: Höhenwuchsdiagramme von Fichte und Kiefer (Quelle: Forster, M et al. (2019) - Praxishilfe Klima – Boden – Baumartenwahl)

Schätzhilfen dienen der Ermittlung von Ertragsklassen und des laufenden Gesamtzuwachses (lGz). Beides wird auf Grundlage von Alter und Oberhöhe ermittelt. Der laufende Gesamtzuwachs (lGz) wird als Zahl in jedem Feld dargestellt. Über die Farbgruppen lassen sich zusätzlich Ertragsklassen (dGz100) auslesen. Die Tabellen wie in Abbildung 14 für Fichte lassen sich für Rein- aber auch Mischbestände anwenden.

Die FVA-BW hat für 12 Baumarten solche Schätzhilfen entwickelt, diese sind hier frei zugänglich.

Schätzhilfe für die Fichte von der FVA BW Abbildung 14: Schätzhilfe für die Fichte von der FVA-BW (Quelle: FVA-BW, B. Bösch)

Jede Baumart ist einem potenziellen negativen Risiko ausgesetzt (z.B. schädliche Insekten, Pilze, Komplexkrankheiten oder Verbiss). Daher muss bei der Baumartenwahl dies berücksichtigt werden. Doch potenzielle Risiken sind mit hohen Unsicherheiten behaftet, daher sind Aussagen zu Waldschutzfunktionen mit Vorsicht zu genießen. Um dennoch praktische und belegte Entscheidungen zu treffen, wurden Praxishilfen und Artensteckbriefe entwickelt (siehe Abbildung 15).

Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Waldschutzfunktionen Abbildung 15: Kriterien der Baumartenwahl, Unterkriterien der Waldschutzfunktionen (© Projekt KoNeKKTiW, FVA-BW)

Praxishilfen dienen als der Unterstützung für fundierte waldbauliche Entscheidungen. Sie stellen dabei unter anderem wesentliche Waldschutzfunktionen vor.

Als Beispiel gibt es in Bayern die Praxishilfe Klima-Boden-Baumartenwahl mit Steckbriefen zu 16 Baumarten (siehe Abbildung 16). Dabei werden verschiedene Aspekte vorgestellt, die in diesem Artikel bereits genannt wurden. Als wesentlich sind hier die Waldschutzbeschreibungen hervorzuheben.

Auszug aus der Praxishilfe Klima-Boden-Baumartenwahl zur Fichte Abbildung 16: Auszug aus der Praxishilfe Klima-Boden-Baumartenwahl zur Fichte (Quelle LWF)

Artensteckbriefe indes sind mehr auf die Vororientierung der Baumartenauswahl ausgelegt.

Die FVA-BW hat hierzu mit den Artensteckbriefen 2.0 Literatur zu 35 Baumarten zusammengetragen. Insbesondere ist so Wissen zu Baumarten aus den Herkunftsgebiete entstanden, die ggf. in Deutschland genutzt werden können (siehe Abbildung 17). Allerdings bietet die theoretische Natur der Steckbriefe keine praktische waldbauliche Empfehlung. Wie die Praxishilfen geben diese Artensteckbriefe auch Auskunft über zuvor genannte Kriterien. Und ebenfalls hier sind Waldschutzfunktionen von einem besonderen Interesse. Diese sind thematisch sortiert und i.d.R. umfangreich und äußerst hilfreich für eine Entscheidung der Baumarten.

Auszug aus den Artenstechbriefe 2.0 zur großen Küstentanne Abbildung 17: Auszug aus den Artenstechbriefe 2.0 zur großen Küstentanne (Quelle: FVA-BW)

[1] Westhauser, Aaron (2020) Kriterien für die Baumartenwahl, Artikel von Waldwissen, https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/waldumbau/entscheidungshilfen-fuer-die-richtige-baumart, abgerufen am 27.07.2021

Originalartikel auf Basis der Projektergebnisse von KoNeKKTiW (Kompetenz-Netzwerk Klimawandel, Krisenmanagement und Transformation in Waldökosystemen)