Durchforstung zur Stabilisierung der Bestände
Veränderungen von Durchforstungen im Klimawandel
Durchforstungen, insbesondere von klimatisch anfälligeren Nadelbaumarten müssen vor dem Hintergrund des Klimawandels intensiver als zuvor bei der Waldbewirtschaftung berücksichtigt werden. Die Durchforstung der Fichte folgt dabei festgelegten waldbaulichen Leitlinien. Risikotreiber der Fichtenbewirtschaftung sind die Zunahme von Stürmen und extremen Trockenperioden. Infolge dieser Wetterextreme steigt das Risiko für einen Borkenkäferbefall drastisch an. Für die Bewirtschaftung auf kleinerem Maßstab im Privatwald erhöht sich damit die Betreuung des Waldes. Klassische Konzepte mit sehr stammzahlreichen und vorratsreichen im Fichtenreinbestand (siehe Abbildung 1) sind nicht mehr klimagerecht. Viele eng stehende Fichten mit niedrigen Durchmesser und großen Höhen sind extrem gefährdet gegenüber Sturmwürfen (Abbildung 2). Derartige Bestände können und müssen durch geeignete Durchforstungsverfahren stabilisiert und vor Schadereignissen geschützt werden [1].
Abbildung 1: Sehr dichte Fichtenreichbestände (Außenansicht) (Quelle: G. Brehm, AELF FFB) Abbildung 2: Sehr dichte Fichtenreinbestände (Quelle: K. Schreiber, LWF)
Definition und Bedeutung des H/D – Wertes
Durchforstungen steuern gezielt die beiden Wachstumsparameter eines Baumes: die Höhe und den Durchmesser. Dieses Verhältnis von Höhe und Durchmesser wird als sogenannter H/D- Wert bezeichnet. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die wichtigen Kenngrößen eines widerstandsfähigen Baumes. Grundsätzlich lässt sich der H/D- Wert einfach selbst berechnen. Stabilisierende HD-Werte sind Werte < 75. Hat ein Baum beispielsweise eine Höhe von 30 Metern und einen Durchmesser von 40 Zentimetern so errechnet sich ein H/D- Wert von 30/40 = 75. Bei diesem H/D-Wert hat der Baum einen starken Stamm in Relation zur Baumhöhe und wachstumsbedingt eine große Wurzel und ein hohes Kronenprozent und damit einen niedrigen Schwerpunkt. Der Baum hätte damit eine geringe Sturmgefährdung. Bei einem entsprechend hohen HD-Wert > 75 dreht sich dieses Verhältnis um und der Baum ist stark sturmgefährdet (siehe Abbildung 3) [2].
Abbildung 3: Der H/D-Wert (© [1] Projekt KoNeKKTiW, FVA-BW, angepasst; Original von Markus Lohr)
Entscheidungshilfe für die Praxis
Für die praktische Bewirtschaftung von gleichaltrigen und ungleichaltrigen steht ein Merkblatt zur Z-Baum-orientierten Auslesedurchforstung zur Verfügung: Die Durchforstungshilfe 2010 der FVA Freiburg (DF-2010). Das vollständige Merkblatt umfasst die Durchforstungsansätze für die wichtigsten wirtschaftlichen Nadel- und Laubbaumarten: Fichte, Tanne, Douglasie, Kiefer, Lärche, Buche, Eiche, Esche/Ahorn. Das vollständige Merkblatt ist hier kostenfrei abrufbar.
Ob die Durchforstungshilfe für den jeweils eigenen Bestand angewendet werden kann, muss im Einzelfall entschieden werden. Je nach Bestandeshöhe und dem H/D-Wert des Bestandes lassen sich über das Entscheidungsdiagramm (siehe Abbildung 4) aber bereits erste Handlungsempfehlungen ableiten. Diese können einfach abgelesen und auf den eigenen Bestand angewendet werden [3].
Abbildung 4: Entscheidungsdiagramm (Quelle: [4] Grafik verändert und angepasst)
Grundsätze zum Zeitpunkt der Durchforstungen
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Anpassung zur Risikominderung im Nadelholz durch eine klare Zielsetzung in den meisten Fällen erfolgreich durchführen lässt.
Zielsetzung: Walbauliche Nutzung der jungen Bestandesphasen und Ruhenlassen des Altbestandes
Klimawandelangepasste Durchforstungen sollten im frühen Bestandesstadium durchgeführt werden
- Dabei sollten frühe und starke Eingriffe zur Förderung des Durchmesserwachstums erfolgen
- Die Förderung der Einzelbaumstabilität durch geringe H/D-Werte, lange Kronen (30-50 % der Endbaumhöhe) und geringere Endbaumhöhen
- Die Verkürzung der Produkionszeiträume (Umtriebszeiten), d.h. die Veränderung der Zielsortimente
- Unterlassung von Durchforstungen in Altbeständen: Diese wirken destabilisierend und steigern das Windwurfrisiko [2]
Quellen:
[1] Biermayer, G. (2020): Das Risiko ist entscheidend: Baumarten betriebswirtschaftlich kalkuliert. LWF aktuell 125, S. 22-25.
[2] Lohr, Markus (2020); Fichtenbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels; Originalartikel auf Basis der Projektergebnisse von KoNeKKTiW (Kompetenz-Netzwerk Klimawandel, Krisenmanagement und Transformation in Waldökosystemen)
[3] Die Durchforstungshilfe 2010 – Eine Entscheidungshilfe für die Praxis; Online unter waldwissen.net: https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/bestandespflege/die-durchforstungshilfe-2010#c87807, Letzter Aufruf: 10.12.21
[4] Merkblatt zur Durchforstungshilfe 2010; Online unter: https://www.fva-bw.de/fileadmin/publikationen/merkblatt/mb_53.pdf; Letzter Aufruf 10.12.21