Komplexkrankheit der Weißtanne
In Mitteleuropa findet man Weißtannen aktuell vor allem im Schwarzwald, den Vogesen, im Jura, im Schwäbisch-Fränkischen Wald, im Voralpengebiet, in Vorarlberg und in der Schweiz.[1] Die Bestände werden hier vor allem zwei Schädlingen bedroht:
Weißtannenstammlaus (Adelges piceae)
Zeigen sich im Frühjahr weiße Tannenstämme, die an eine Raufasertapete erinnern, ist dies die weiße Wachswolle der Weißtannenstammlaus. Bei jungen Weißtannen hingegen lässt sich der Befall nicht am Stamm, sondern an den Triebspitzen junger Weißtannen ausmachen.[1]
Tannentrieblaus (Adelges nordmannianeae)
In den Sommerwochen findet man dann braune Spitzen oder obere Zweige, die absterben. Weitere Merkmale des Schadbilds im Sommer sind, dass die Nadeln an fast allen Zweigen fahl werden fahl und sich einkräuseln („Flaschenbürstenphänomen“). Hierfür zeichnet die Tannentrieblaus verantwortlich, eine nahe Verwandte der Weißtannenstammlaus.[1]
Zumeist verläuft ein Befall mit Tannenstammläusen an der Weißtanne harmlos, da der Baum die Läuse nach einigen Jahren durch das Ausbilden neuer Borke wieder „abstreifen“ kann. Ein erneuter Befall am selben Stamm tritt dann in aller Regel nach frühestens zehn bis zwölf Jahren auf. So ist auch zu erklären, dass mitten in einem Bestand mit starkem Lausbefall lausfreie Tannen stehen. Dies dürfen Bäume sein, die über eine „Läuse-Erwehrungsphase“ hinweg eine pathologische Borke gebildet haben.[1]
Maßnahmen & Prävention
Grundsätzlich ist ein Monitoring der schädlichen Tannenlausarten erforderlich, das aber nicht durch alle Waldbesitzenden in Eigenregie durchgeführt werden muss, sondern bspw. zentral durch beratende Forstdienststellen. Letztere können dann aufgrund ihrer Monitoring-Ergebnisse rechtzeitige Warnungen veröffentlichen.[1]
Wichtig ist hier vor allem die Beobachtung von Gebieten mit Sommertrockenheit - hier sollten lausbefallene Bäume auf Sekundärschädlinge beobachtet werden. Wurde ein Befall durch Stammläuse und Sekundärschädlinge festgestellt, muss umgehend eingeschlagen und das Holz sofort abgefahren werden. Kann letzteres nicht unmittelbar erfolgen, muss ist das Holz zu entrinden.[1]
Gebiete ohne Sommertrockenheit müssen nicht fokussiert werden, da hier die Lausbäume weniger durch Sekundärschädlinge gefährdet sind und somit im Bestand verbleiben können. Wurde ein starker Besatz festgestellt, ist auch eine Überwachung durch die betroffenen Waldbesitzenden selber erforderlich. Sie sollten in kürzeren Intervallen insbesondere auf den o. g. Sekundärschädling, die Tannentrieblaus, zu achten.[1]
Generell sind Tannenbestände im Alter von ca. 40 bis 100 Jahren gefährdet und auf die nachfolgenden Symptome zu kontrollieren. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Beständen liegen, die bereits zuvor befallen waren.[1]
- Bäume mit mehrfachem früherem Stammlausbesatz und aktuell sichtbarem Schleim- und/oder Harzfluss > Weisen sie keine Spechthiebe auf, sollten sie markiert und mindestens einmal im Monat dahingehend überprüft werden, ob sie einem Befall durch den Weißtannenrüsslers standhalten.[1]
- Kontrollbäume mit deutlicher Zunahme des Harz- und Schleimflusses > Hier ist sorgfältig auf einen Weißtannenrüsslerbefall zu achten und Bäume sind umgehend zu fällen sowie abzufahren, sobald sie deutliche Anzeichen eines Befalls aufweisen.[1]
- Bäume mit Hinweisen auf Hallimasch, größere Rindennekrosen und/oder Weißtannenrüsslerbefall > Sind Spechthiebe, abblätternde Rinde, runde Ausbohrlöcher von Jungkäfern oder Fraßbild bzw. Puppenwiegen der Larven auszumachen, sollten die betroffenen Bäume entnommen und sofort abgefahren werden.[1]
- Überwinterungsbäume mit großer Anzahl an kleinen Harztropfen > Diese sind zu dokumentieren und zu beobachten, aber nicht sofort zu entnehmen.[1]
- Bäume mit auffällig kurzen Trieben und anormalem Nadelfall > Am besten in den geschwächten Beständen mit dem Fernglas regelmäßig die Trieblänge kontrollieren und auf abfallende Nadeln achten, denn diese Merkmale zeigen noch vor dem Harzfluss einen möglichen Befall durch den Weißtannenrüssler oder Hallimasch an.[1]
Allgemein lassen sich aber die Probleme durch waldbauliche Maßnahmen weitgehend vermeiden und betroffene Bestände erfolgreich sanieren.[1] Konkrete Empfehlungen für die Praxis sind:
- Kein bzw. zurückhaltender Eingriff bei Pflege- und Hiebsmaßnahmen in den gefährdeten Beständen während der Massenentwicklung der Stammlaus [1]
- Nicht zu radikale Freistellung von Z-Bäumen in dieser sensiblen Phase (dies ist nicht als Rat zur generellen Abkehr von der Z-Baum-Bewirtschaftung zu verstehen) [1]
- Nicht alle Bedränger entnehmen, statt dessen präventiv die Tanne – unter Beachtung der lokalen Schlusswaldgesellschaft – am besten mit Buche und/oder Fichte mischen [1]
- Anstreben eines stufigen Bestandesaufbau [1]
Quellen
[1) Dr. Reinhold John, FVA: "Komplexkrankheiten bei der Weißtanne", Online auf researchgate.net, Zugriff am 26.09.2020